Expertenmeinungen zu den Ursachen rassistischer Gewalt in den neuen Bundesländern haben im Moment Hochkonjunktur. Mit dabei ist natürlich auch Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat der FU Berlin, der stets gefragt wird, wenn ein DDR-Thema ansteht.
Im Berliner Tagesspiegel hat er bereits am 8. Dezember einen Gastkommentar geschrieben, in dem er die Ursprünge der ostdeutschen rechtsradikalen Gesinnungen erklärt. Dazu zählen: Die autoritären Erziehungsformen und ‑inhalte an den DDR-Schulen, die auf Unterordnung und Kollektivität abgezielt hätten. Die Vollerwerbstätigkeit beider Elternteile, durch die es wenig Zeit innerhalb der Familie gegeben hätte. Die Wende, in der man sich entweder an eben diese erprobten Formen gehalten habe — oder die Kinder einfach gewähren ließ. Für Schroeder steht fest:
Viele Jugendliche hatten ebenso wenig wie ihre Eltern und Lehrer das kompromissfähige Austragen von Konflikten gelernt.
Dass eine solche Rückführung auf die DDR-Zeit und die ersten Jahre nach 1989 vielleicht doch etwas kurz greift — über 20 Jahre später — das ahnt auch Schroeder. Im allerletzten Absatz schreibt er schließlich, dass das DDR-Erbe nicht alles erklären könne. „Verwahrlosungs- und Verrohungstendenzen, die aus dem beschleunigten sozialen Wandel, dem fehlenden Zusammengehörigkeitsgefühl und dem Wertewandel resultieren, betreffen die moderne Gesellschaft insgesamt.“ Und er fordert, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen: „Polizei und Politik sind allein nicht in der Lage, den Feinden der Demokratie Grenzen zu setzen.“ Wohlgemerkt: hier schreibt er über Deutschland heute und insgesamt.
Das sind trübe Aussichten und eine traurige Bilanz für ein Land, das sich moralisch als soviel fortschrittlicher versteht als die DDR und ihr Erbe.
Doch es gibt handfeste Probleme in diesem Text: Schroeder schafft es, den westdeutschen Einfluss auf die ostdeutsche Nazi-Szene komplett auszublenden: Wie mit dem Mauerfall die Kameradschaften den Osten als neuen Rekrutierungsraum für sich entdeckten und sich ungehindert ausbreiten konnten. Wie staatliche soziale und kulturelle Angebote immer weiter gekürzt wurden — und Alternativen aus der rechten Ecke kamen.
Schroeder konstruiert somit einen autarken rechten Raum in Ostdeutschland — und damit eine weiße Weste für den Westen, denn hier konnten ja bereits in den „80er Jahren rechtsradikale Parteien und neonazistische Gruppen zurückgedrängt werden“. So das Selbstbild der BRD.
Weitere Kritikpunkte an Schroeder liefert ein weiterer Artikel im Tagesspiegel, der heute erschienen ist. Leider wird hier nur noch von „Gewaltbereitschaft“ gesprochen — der Rassismus, der ist offenbar völlig verschwunden. Denn dann müsste man sich ja mit ihm beschäftigen — gesamtdeutsch und ohne sich daran aufzuhängen, die Schuld zwischen Ost und West hin- und herzuschieben.