Beherrscht, unterdrückt, wehleidig: Weniger wichtige Ossis im Osten

Ostdeutsche sind in Führungspositionen in Ostdeutschland unterrepräsentiert. Das hat eine Studie der Universität Leipzig im Auftrag des MDR ergeben. Zum Teil gingen die Zahlen sogar wieder zurück:

  • Politiker_innen mit ostdeutscher Herkunft in den ostdeutschen Landesregierungen: 70% (2004: 75%)
  • Leitung der 100 größten ostdeutschen Unternehmen: 33,5 % (2004: 35,1%)
  • Leitung der Universitäten und Hochschulen: Anteil fast halbiert
  • Von 60 Staatssekretär_innen der Bundesregierung stammen 3 aus dem Osten (2004: 6)
  • Ostdeutsche unter den Führungskräften bundesweit: 1,7%

Aus diesem Befund zimmert der MDR eine zweiteilige Dokumentation — neckisch illustriert mit aufgehängten Schachfiguren fragt sie: „Wer beherrscht den Osten?“

Kritik an dieser Aufarbeitung kommt von Richard Schröder, SPD-Politiker und Pfarrer in der DDR. Im Interview mit der Sächsischen Zeitung meint er:

Die ganze Aufrechnerei suggeriert: Es gibt zwei Völker, Ostdeutsche und Westdeutsche. Das eine Volk „beherrscht“ das andere. Das Thema der MDR-Dokumentation hieß ja: „Wer beherrscht den Osten?“ Und bei „beherrscht“ denkt man natürlich sofort an „unterdrückt“. Die Ossis sind unterdrückt. Ich finde diese ostdeutsche Wehleidigkeit zum Kotzen und außerdem vorbei an vielen Tatsachen.

Wir sehen: Das Thema ist sehr emotional besetzt, es geht um Teilhabe, Mitbestimmung — Demokratie eben. Was den emotionalen Effekt verstärken dürfte: Die deutsch-deutsche Geschichte nach 1990 wird in der Regel positiv dargestellt — Studien wie diese zeigen aber, wie dünn das Fundament dieser Darstellungen ist. Das knirscht, wenn Wunschvorstellung und Zahlen aufeinander treffen. Oder, wie Iris Gleicke, Ostbeauftragte der Bundesregierung, dazu sagt:

Der Vereinigungsprozess ist eben keine rumpelfreie Erfolgsgeschichte, auch wenn das manche gerne so in die Geschichtsbücher schreiben würden.

Wie in Bad Schwartau Ängste vor dem Osten geschürt werden

Letztlich sind es die kleinen Dinge, die einen Unterschied in der Berichterstattung über Ost und West ausmachen. Hier ein Beispiel aus der Redaktion des Flensburger Tageblatts. Dort heißt es in der Überschrift:

Wie die Schwartauer Werke nach Ostdeutschland gelockt werden

Oh nein, mögen da Einheimische aus Schleswig-Holstein (im Text liebevoll und vertraut mit „SH“ abgekürzt) aufschreien — unsere schöne Marmeladenstadt soll in den tiefen Osten verschleppt werden! Ist den gottlosen Ossis denn nichts mehr heilig? Um die aufgeregten Gemüter zu beruhigen, hier ein paar Fakten — die stehen zwar im Text verstreut, aber wer liest den nach einer solchen Überschrift ohne die Hilfe von ein paar Gläsern Baldrian?

  1. Die Schwartauer Werke benötigen mehr Platz und sind derzeit in der Bauplatzsuche.
  2. In Betracht kommt „eine Gemeinde“ in Mecklenburg-Vorpommern, das gerade einmal 14 Kilometer entfernt liegt. Zum Vergleich: Zur (ehemaligen) Bundeshauptstadt Bonn, der Personifikation Westdeutschlands also, sind es 500 Kilometer.
  3. Der Unternehmenssitz bleibt in jedem Fall in Bad Schwartau.

Das klingt kaum besorgniserregend — daher verwundert auch der aufgeregte Ton der Meldung. Für mich bleiben daher ein paar offene Fragen:

  1. Weshalb spricht der Text diffus von „Ostdeutschland“, wenn es doch um eine konkrete Gemeinde in unmittelbarer Umgebung geht? Warum wird auch diese nicht konkretisiert? Spielt man hier mit der Angst vor dem Unbekannten?
  2. Warum werden beispielhaft einzelne Unternehmen genannt, die nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen sind — aber keine Statistik, um diese Vorgänge einzuordnen? So vermeldete das gleiche Nachrichtenportal im Jahr 2014: Schleswig-Holstein ist Deutschlands Konjunktur-Primus. Auf Platz 3: Mecklenburg-Vorpommern.
  3. Warum spricht der Artikel mehrmals von „Umzug“ und erklärt erst zum Schluss, dass die Pläne gar nicht den Standort des Unternehmenssitzes betreffen, sondern nur ein weiteres Werk?
  4. Ist das Journalismus, der sachlich informiert und nicht verunsichert?

Vielleicht ist es doch ganz harmlos und es geht nur um die allgemeine Angst vor „dem Osten“. Da wir uns hier ja im hohen Norden befinden, ist das eine wunderbare Gelegenheit, dieses Zitat einzuspielen:

15 Gründe, warum die Huffington Post keine Ahnung vom Osten hat

Wenn wir die Huffington Post nicht hätten: Dann wüssten wir nicht, dass die Bundesrepublik vor allem vom Osten des Landes geprägt wird. Echt wahr! Hier steht’s: „15 Gründe warum in Deutschland heute mehr DDR steckt als jemals zuvor“!

Zugegeben, ein paar Dinge kennt man: die Merkel (alter Hut für uns), der Gauck (hamwa längst gewusst), aber auch: Der Gysi. Sind schon mal drei Punkte.

Dann: „Die SPD leidet als westdeutsch geprägte Partei unter erheblichen Bedeutungsverlust“ — also auch ein Punkt für den Osten. Irgendwie: „es gibt gute Gründe anzunehmen, dass zwischen dem Bedeutungsverlust der SPD und der Verschiebung der politischen Kraftzentren in Deutschland ein Zusammenhang besteht.“ Die Gründe hätte man dann doch gerne gewusst, aber soviel Zeit hat man ja nicht.

Vier Punkte. Was haben wir noch, werden sich die engagierten Huffingtoner gefragt haben. Irgendwie müssen die 15 Punkte doch voll werden. Pegida? Quatsch! Lass es uns Schritt für Schritt machen, erstmal eine schnittige These aufstellen: „Die bedeutendsten gesellschaftlichen Diskussionen werden heute im Osten vorangetrieben.“ Sehr cool, das zählt schon mal. Fünf!

Und jetzt diese These unterfüttern: Die Debatte um den demografischen Wandel nahm in Ostdeutschland ihren Anfang (6.), in Sachen Kinderbetreuung sind ostdeutsche Kommunen mittlerweile Vorbild (7.), in der Diskussion um ein modernes Familienbild hängt der Westen zurück (8.), die Energiewende wurde vor allem von westdeutschen Politikern ausgebremst (und ich dachte, das wären die Stromkonzerne gewesen, aber das macht ja keinen Unterschied — 9.), Pegida war ein Phänomen, das im Osten seinen Anfang nahm (also doch, haha! 10!).

Von der Elitenkritik geht’s dann direkt zur Linkspartei (wie naheliegend) und von dort zur AfD (noch naheliegender). 13, zwei fehlen noch. Da haben wir: Mehr Nato-Kritik und den Regierungsumzug nach Berlin. Wenn das mal kein Argument für den Osten ist.

Geschafft! 15mal ganz tolle Gründe, warum der Osten ganz doll das Land prägt. Beziehungsweise: 15 politische Einflüsse. Schade, dass man die Wirtschaft herausgelassen hat (etwa den einzigen Dax-Vorstand ostdeutscher Herkunft), die Kultur (zum Beispiel die Vorbehalte gegen ostdeutsche Regisseure), die Verwaltung (die westdeutsch besetzte Hierarchie in ostdeutschen Behörden) oder einfach nur die alltäglichen Vorurteile bei Fußballfans oder überhaupt.

Aber: Psst — nicht der Huffington Post verraten! Lassen wir sie lieber weiter im Ungewissen:

Wahrscheinlich ist das wohl das eines der größten Rätsel der politischen Gegenwart: Warum nur fühlen sich viele Bürger im Osten immer noch derart unverstanden?

Gedanken des Abstoßens aus dem Westen

„Dann gebt doch Russland die DDR zurück!“ So tönt ein Kommentar der Welt und will ein Beitrag zur Debatte über den Umgang mit Russland sein. Jacques Schuster, Chefkommentator des Blattes, wählt dabei einen recht originellen Einstieg: Er lässt die Realität hinter sich und blickt in etwas, was er als Verdichtung der Meinungen von Matthias Platzeck und Lothar de Maizière bezeichnet. Die einfache Formel: Beide haben Unrecht (deshalb wohl auch „Unrechtsstaat“) und beide kommen von drüben — also denken natürlich alle Ossis so.

Die weiteren Gedankengänge lassen ebenfalls tief blicken: Die Ostdeutschen, aka die neue DDR, handeln in Schusters Phantasterei überhaupt nicht: Sie entscheiden nicht selbst über ihren Austritt aus Deutschland und dem Beitritt zu Russland — nein: Westdeutschland tut dies. Anschließend werde der Kreml die Richtung vorgeben. Souveränität? Doch nicht für Ossis!

So ist also der Osten Deutschlands, wie ihn der Westen gerne sieht: Kollektive Meinung, fremdgesteuert. Als hätte die DDR nie aufgehört zu existieren.

Wer sich den vollständigen Text nicht antun möchte, hier die wichtigsten Zitate fürs Poesiealbum:

Am 1. Januar 2015 sollten alle Bürger der alten Bundesländer in einem Akt der Volkssouveränität erklären, die neuen Bundesländer aus dem Verbund der Bundesrepublik Deutschland zu entlassen. Die DDR soll wieder entstehen.

Zwar könnte es sein, dass die Menschen in der neuen DDR ohne die Solidaritätszuschläge und die Hilfen der EU ärmer sein werden, aber es wird schon gehen. Es ging doch damals auch.

Nun schreibt er sich um Kopf und Kragen, werden einige Leser an dieser Stelle denken. Hoffentlich! So abwegig, wie sie klingen, sind diese Sätze jedoch nicht. Sie verdichten den kulturellen Snobismus, die Überheblichkeit und sonstigen geistigen Ausdünstungen, die man in den vergangenen Monaten hierzulande zu hören bekam, nur zu einer gewaltigen gastrischen Explosion.

Es täte ihrem außenpolitischen Gewicht und der eigenen Gelassenheit gut, wenn die Deutschen wieder begönnen, über den Tag hinaus zu denken, und sich daran gewöhnten, dass Konflikte Jahrzehnte währen können. Gelingt es uns nicht, diese Fähigkeiten zu entwickeln, ist es mit unseren Werten, Traditionen und der Freiheit genauso schnell vorbei wie mit unserer Westbindung. Vielleicht aber wünschen einige der Mahner genau dieses.

Alltagsrassismus vs Flüchtlingspolitk

Wie wird über Flüchtlingspolitik, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gesprochen? Dies sind äußerst sensible Themen — und dass dabei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden können, hat die Süddeutsche Zeitung in ihrer heutigen Ausgabe gezeigt: Thomas Hahn hat sich für den Politikteil in Mecklenburg-Vorpommern umgeschaut und sprach mit Flüchtlingen. Andreas Glas und Bernd Kastner berichten im Lokalteil aus der bayerischen Landeshauptstadt und haben mit CSU- und SPD-Politikern gesprochen.

Im Folgenden sind Zitate aus beiden Artikel nebeneinander gestellt: In der linken Spalte geht es um Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern, in der rechten um Flüchtlinge in München. Und es ist vielleicht nur Zufall, dass dies ganz unterschiedlich geschieht.

Flüchtlinge in den Zentralen des braunen Sumpfs Plötzliche Aktivität bei der CSU
Güstrower Alltagsrassismus Gescheiterte Flüchtlingspolitik der Staatsregierung
In Anklam und Güstrow beschreiben die Flüchtlinge die Stimmung in der Stadt als „beängstigend“, „unfreundlich“ und „abweisend“. Er selbst, so Spaenle [Kultusminister, CSU], sei „dauernd draußen“ an der Bayernkaserne und erlebe, dass es immer noch Ängste bei den Bürgern gebe.
Gerade in den großen Städten, in denen viele Zugewanderte leben, ist Vielfalt ein gewachsenes Gut. In der vergangenen Woche hatte zunächst SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter einen Aufnahmestopp für die überfüllte Bayernkaserne verfügt — und damit das Thema Unterbringung, für die eigentlich der Freistaat zuständig ist, an sich gerissen.
Mecklenburg-Vorpommern kann auch anders. In Rostock betreibt der Verein Ökohaus mit Rückhalt aus der Bürgerschaft und ausgebildeten Sozialpädagogen eine gelobte Gemeinschaftsunterkunft. Zugleich hält die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung an. Jüngstes Beispiel sind die Mitarbeiter der Stadtwerke (SWM) und ihrer Tochter M‑Net. Nachdem am Freitag der VIP-Bereich des Olympiastadions als Notunterkunft belegt worden war, baten die Firmen spontan ihre Mitarbeiter in der Zentrale um Spenden.
Es ist nirgendwo einfach, ein Flüchtling zu sein. Aber an manchen Orten in Mecklenburg-Vorpommern ist es ein Martyrium. Nahe des Sendlinger-Tor-Platzes schlugen unterdessen Flüchtlinge ein Protestzelt auf, um auf die Situation von Asylbewerber in München hinzuweisen. […] Um ein Lager wie 2013 auf dem Rindermarkt zu verhindern, dürfen diese aber nicht campieren. Die Polizei nahm den Protestierenden deshalb am Sonntagnachmittag Schlafsäcke und Isomatten ab.
Gleichzeitig sitzen Abdoulaye Mbodji und Sherif Barry in der Begegnungsstätte Villa Kunterbündnis am Pferdemarkt und wundern sich über die Atmosphäre in dieser Stadt, in die sie nach ihrer Flucht aus Mauretanien hineingeraten sind. Die beiden CSU-Politiker laden […] die Anwohner der Bayernkaserne zu einem Gespräch ein.
Die kleinen Zentralen des braunen Sumpfs CSU-Staatsregierung
Mecklenburg-Vorpommerns Hinterland München

Vielen Dank an Susanne für den Hinweis.

Gute Vorsätze für Ostdeutsche 2014

Beginnen wir das neue Jahr doch mit Fragen. Oder nein — schauen wir uns doch einfach die Fragen an, die Christian Bangel auf Zeit Online zu einem Artikel gebastelt hat:

Warum gibt es kein relevantes ostdeutsches Medium?

Was heißt schon relevant? Geht man nach den Verkaufszahlen, befindet sich die Super Illu auf dem 7. Platz der Zeitschriften und Magazine, im Osten ist sie nach eigenen Angaben sogar die meistgelesene Kaufzeitschrift. Damit ist die Super Illu hochgradig relevant für die Menschen dort — auch wenn die mediale Allgegenwärtigkeit von Spiegel, Stern & Co anderes vermuten lassen. Bei den meistzitierten Medien taucht die Zeitschrift hingegen nicht auf: Relevant für die sonstigen Medien in Deutschland ist die Super Illu also nicht. Relevant ist schließlich, was man relevant macht.

Wieso spricht niemand über ein Bundesland Ostdeutschland? Die Probleme der Länder ähneln sich und der Bevölkerungsschwund hat bereits ungezählte Gebietsreformen nötig gemacht.

Dann müsste aber auch mindestens das Ruhrgebiet, wenn nicht gleich ganz Nordrhein-Westfalen mitmachen. Dort gibt es schließlich ganz ähnliche Probleme. Zumal solch ein Vorgehen nur an alte Muster anknüpfen würde: Der vielfältige Westen hier, dessen ganz verschiedene Bundesländer sich gar nicht auf einen Nenner bringen lassen. Und der Osten dort, ein eindeutig als DDR definierbares Bundesland. Aber all das passt zur Forderung von Christian Bangel:

Es wird Zeit für die Ostdeutschen, sich großzumachen. Nicht als Gesamtdeutsche, sondern als Ostdeutsche, deren Einfluss erkennbar werden muss.

Angela Merkel, Beate Zschäpe, Joachim Gauck, Toni Kroos und Maybritt Illner nennt Bangel als Beispiele bekannter Menschen aus dem Osten. Damit belegt er die Vielfältigkeit der Menschen aus dem Osten, was ja bei mehreren Millionen Einwohner_innen auch nicht überraschen dürfte. Und doch fehlt ihm ein eine eindeutige, ostdeutsche Positionierung dieser Menschen: Irgendwas muss diese Personen doch verbinden, und wenn es nur Pragmatismus ist. Oder (Achtung, Zirkelschluss): Ihre Nichterkennbarkeit als Ostdeutsche.

Wo sind eigentlich die Ostdeutschen? Man erkennt sie nicht am Namen und am Beruf, nicht mehr an ihrer Kleidung und an der Frisur.

Dabei könnte Christian Bangel doch selbst den Anfang machen. Auf seinem Porträt auf Zeit Online erfährt man einige Stationen seines Lebens. Ausgespart wird allerdings die Frage seiner Herkunft, auch im Artikel wird sie nicht angesprochen, obwohl er eindeutig eine Positionierung einfordert. Aufschluss gibt dann eine ältere Website des Autors:

Meine Kollegen nannten mich U.D.O., „Unser dummer Ossi“. Ich glaube, ich möchte darüber reden.

Selbstpositionierung ist dann vielleicht doch nicht so einfach, wie es zunächst aussieht.

Auf ein erfolgreiches Jahr 2014!

Watt’n das? 1

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung gibt es in Europa noch einige unentdeckte Gebiete. Doch Markus Lanz nimmt es auf sich, die weißen Flecke auf der Landkarte zu erforschen. Als investigativer Nahost-Experte fragte er also in der „Wetten dass“-Ausgabe vom 9.11.2013:

Waren Sie schon einmal so weit um Osten?
zitiert nach diepresse.com

Die Sendung fand in Halle (Saale) statt, die Frage ging an Lukas Podolski. Ja, an Lukas Podolski.

Es scheint, die Deutschlandkarte muss ein wenig überarbeitet werden: Irgendwo zwischen Ost- und Westdeutschland muss noch Polen hinein gequetscht werden. Und Halle schien ja bereits für den Deutschlandfunk den östlichsten Zipfel des bekannten Universums darzustellen.

Migrant Schrägstrich Ossi

Liebe Medien,

könnt ihr nicht ein wenig mehr auf einer Linie sein? Ich möchte ja keine Gleichschaltung, bewahre! Aber ein paar grundsätzliche Dinge sollten einfach klar sein. Etwa die Sache mit den Ostdeutschen und den Migrant_innen. Kann man die nun in einem Atemzug nennen oder nicht?

Die FAZ hat da einen ganz klaren Vorstoß gemacht, als sie im September den Frankfurter Soziologen Tilmann Allert zitierte:

„Die islamische Kultur und die Menschen aus den neuen Bundesländern sind vereint in dem Wunsch, Ambivalenzen zu vermeiden.“ Sie wollten zwar den „Kuchen der Moderne“ essen, brächten aber nur eine halbierte Integrationsbereitschaft auf […]

kostenpflichtig im FAZ-Archiv (der Rest wird aber nicht besser. Versprochen.)

Über solch klare Ansage freut man sich. Und nun sowas:

„Migranten glücklicher als Ostdeutsche“

titelt Die Welt

Also was jetzt? Ostdeutsch-migrantisches als zweiköpfiger Schreck des westsituierten Bildungsbürgertums? Oder soll man diese beiden homogenisierten Gruppen doch lieber gegeneinander ausspielen?

Liebe Medien, schafft Klarheit in eurem Weltbild! Und wenn es nur für mich ist.

Danke an Kati für den FAZ-Artikel und den Tweet von @wiebkehollersen

Ein Kessel bunter Vorurteile

Ach ja: So sicher wie Weihnachten kommt auch jedes Jahr der Tag der deutschen Einheit. Dieses Jahr beschenkt uns das Hohenloher Tagblatt (sic!) mit einer umfassenden Sammlung westdeutscher Klischees über den Osten. Oder um genau zu sein: Jugendliche aus dem Landkreis Hall sagen, was ihnen zu dem Thema einfällt und die Redaktion nickt zustimmend. Das reicht von der sächselnden Überschrift über eine Bildergalerie mit Sand- und Ampelmännchen hin zu Rechtsextremismus und Nacktbaden.

Schauense rein, greifense zu: Soviele Vorurteile gibt’s so bald nicht wieder! Jedenfalls nicht so unreflektiert!

Deshalb nur deren Auflistung und keine unserer üblichen Kommentierungen — es ist einfach zu spät, um anderen Menschen die Arbeit abzunehmen.

  • In den neuen Bundesländern machen weniger Schüler Abitur als in den alten Bundesländern
  • Ostdeutsche sind weniger demokratisiert und beteiligen sich weniger an der Politik
  • In den neuen Bundesländern sind Frauen jünger, wenn sie ihr erstes Kind bekommen
  • Immer mehr junge Menschen wandern aus den neuen in die alten Bundesländer ab
  • Im Osten gibt es viele Rechtsextreme
  • Jeder Zweite im Osten ist arbeitslos
  • In den neuen Bundesländern sprechen alle sächsisch
  • Viele Leute im Osten wohnen in Plattenbauten
  • Im Osten baden alle nackt
  • Viele der damaligen Modetrends werden heute wieder getragen, oft auch kombiniert mit verschiedenen Accessoires, die der heutigen Mode entsprechen
  • Schlager und Stimmungslieder waren den „Ossis“ wichtig. Außerdem Rock -, Jazz — und Blues
  • Berlins Ampelmännchen erobern die Welt

Wobei ich ja immer noch glaube, dass das eine schlecht gekennzeichnet Satire-Seite sein muss.

Übrigens: Wer den 3. Oktober etwas intelligenter angehen möchte, findet im Tagesspiegel immerhin ein ganz neues Wort: Kostalgie! Sehr appetitanregend.

Ewige Verlierer im Osten 1

Wer kann einen Satz nennen, in dem die Worte „Ostdeutschland“, „Wende“ und „Verlierer“ vorkommen?

Ostdeutschland ist ein Verlierer der Energiewende

Danke, liebe FAZ! Heißt: Strom kostet in den nicht mehr brandneuen Bundesländern mehr, die Gewinne bleiben aber nicht dort. (Dass die Unterstützung von Ökostrom auch etwas von blühenden Landschaften in sich trägt: Diese plumpe Anspielung spare ich mir mal.)

Und als nächstes bitte ein Satz, der die Wörter „Gewinner“ und „einwende“ enthält.