Feb
22
2012
Erstaunlich wenig ist davon zu hören, dass (wahrscheinlich) zwei Ostdeutsche die wichtigsten politischen Ämter in der Bundesrepublik besetzen werden. Die Blätter sind voll von Berichten über Joachim Gauck, seine DDR-Zeit, seine Zeit in einer Behörde, die lustigerweise genauso hieß wie er selbst und vor allem über seine Gedanken zu Freiheit und Verantwortung. Aber das ostdeutsche Duo, das ist offenbar nur ein Nischenthema. Vielleicht weil es nach 20 Jahren einfach nicht mehr relevant ist, aus welchem ehemaligen Teil Deutschlands jemand stammt?
Vielleicht doch. So schreibt Cornelius Pollmer im Magazin der Süddeutschen Zeitung:
Ja, als Ostdeutscher darf man sich einen Moment freuen, dass bald zwei Ostdeutsche höchste Ämter im Staat innehaben – es gibt wenig genug von ihnen in wichtigen Positionen. Gleich danach aber darf man sich bewusst machen, dass es nichts zu bedeuten hat. Der Bundespräsident soll ein Bundespräsident aller sein, ganz gleich, ob er nun aus dem Westen kommt oder aus dem Osten
Er sieht es als eine Gelegenheit, dass Ostdeutsche nun nicht nur Gegenstand, sondern auch Teilhaber an öffentlichen Debatten werden können: Gauck als Vorbild. Inwieweit diese Erwartung gerechtfertigt ist, muss sich zeigen — trotz einer in Hamburg geborenen DDR-Physikerin hat sich in dieser Hinsicht nicht viel getan.
Und auch im Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ist es immer noch ein Thema, woher die Menschen stammen. Auch wenn es selten so drastisch-plump formuliert wird wie von Achstaller-Erhard im Blog der Augsburger Allgemeinen:
Unsere westdeutschen Politiker lassen sich das Heft aus der Hand nehmen von den ehemaligen DDR-Bürgern. […] Zuerst unsere Kanzlerin, jetzt dann der Bundespräsident und unsere saubere Linkspartei, alle kommen sie aus der ehemaligen DDR. Wenn wir nicht aufpassen, so werden wir bald wieder ostdeutsche Verhältnisse bekommen. […] Früher haben wir über die DDR geschimpft und heute kriechen wir ihnen in den Hintern.Wir haben im Westen Deutschland auch gute Politiker und müssen nicht in den neuen Bundesländern Ausschau halten.
Er formuliert Vorbehalte gegenüber „Stasileuten“ und Ostdeutschen insgesamt. Es sind geradezu klassische Ängste vor einer Überfremdung, die hier zum Ausdruck kommen: Der östliche Teil Deutschlands ist in der Sicht des Autors eine fremde Kultur und nicht wirklich Teil der BRD.
Möglicherweise ist dies der Grund, warum die Kombination Merkel/Gauck kaum thematisiert wird: Sie sind neben allen parteitaktischen Überlegungen immer noch ein Reizthema, die mächtigen Ossis. Und reizen kann nur, was ungewöhnlich ist und/oder in der Vorstellungswelt nicht vorgesehen ist.
Danke an Mareen für den Hinweis.