Wenn etwas gefährlich ist, dann sind es Vereinfachungen. Im Osten Deutschlands leben nur Nazis ist eine davon. Die Begründungen (Kindergärten, Abschottung durch Mauer) sind sogar noch einfacher und dümmer, haben aber eines gemeinsam: Sie verweisen in der Regel auf die Zeit vor 1989.
Dabei steckt ein komplexes demographisches Phänomen dahinter: Dem Wirtschaftsabbau Anfang der 90er Jahre folgte Armut folgte Wegzug von Frauen, die im Westen Arbeit und Bildung fanden. So gibt es nun einen überdurchschnittlichen Anteil von Männern, die keine Perspektive sehen: Denn würden sie eine Perspektive sehen, wären sie nicht mehr da. Das alte Rollenbild — der Mann, der für seine Familie arbeitet — greift nicht mehr und daraus erwächst Frustration. Auch da ist stark vereinfacht, das wird hier weit detaillierter ausgeführt.
Hinzu kommt: Die etablierten Parteien haben viele Orte im Osten bereits abgeschrieben, Nazis und NPD sind jedoch präsent mit Freizeitangeboten für Jugendliche und mit Schuldzuweisungen nach außen.
So vereinfachend es auch klingen mag: An der aktuellen Situation ist die aktuelle Politik Schuld, nicht ein Land, das es seit über 20 Jahren nicht mehr gibt.
Nicht nur die Wirtschaft wurde 1989 abgebaut sondern auch die Bildung und Wissenschaft. Man kann auf der Seite http://www.psb-staucha.de über die Verfahrensweise mit ostdeutschen Büchern und Verlagen lesen, es gibt rund 3000 Publikationen zum sogenannten „Wissenschaftsumbau“ in Ostdeutschland, der zum Ziel hatte, die ostdeutsche Wissenschaft „konkurrenzfähig“ zu machen — eine Zielsetzung, die es kritisch zu hinterfragen gilt und ebenfalls sehr nach Kaltem Krieg und Siegerpose mufft. Die Voelmy-Studie hat mein Gefühl der überlegenden ostdeutschen Bildungsmethoden bestätigt http://antilobby.wordpress.com/2012/01/20/bildung-fur-alle-einbildung/ …
Auch die Verhaltensweise von Mehrheiten oder Identitätsgruppen, in Krisenzeiten vornehmlich rechts zu wählen, ist eine längst bekannte und in Deutschland gern ignorierte wissenschaftliche Erkenntnis. Vielleicht fehlt es aber eher am Verständnis dafür, dass die Eingliederung der DDR in die BRD durch den Wirtschaftsabbau eine Krise war und ist und in dieser Form keine ausnehmlich friedliche Revolution mit der ohnehin immer ausgestandenen deutschen Einheit.