Geteilte Aufmerksamkeit

Geteilte Aufmerksamkeit

Es grenzt schon an bitterem Zynismus, ein Buch „Das geteilte Land. Deutsche Geschichte 1945 – 1990“ zu nennen und der DDR erst das 15. Kapitel zu widmen: Die arme, arme geteilte Bundesrepublik. Wir sind es ja gewohnt, wenn deutsche Geschichte mit westdeutscher Geschichte gleichgesetzt wird, aber die DDR bei einer solchen Überschrift als Randphänomen zu behandeln, das ist… absurd.

Besagtes — wissenschaftliches! — Werk ist 2007 erschienen und wer ungläubig ins Inhaltsverzeichnis blicken möchte, kann dies gerne tun:

Nun, wahrscheinlich ist lediglich der Titel unglücklich gewählt.

Eine Leseprobe gibt es beim Verlag.

vom anfang mit jana hensel 1

ich fange mal am anfang an. 

die idee zu diesem blog kam silvio und mir durch einem artikel von jana hensel !

silvio hatte mich auf ihn aufmerksam gemacht und wir sind darüber in’s gespräch gekommen. und abgesehen davon, dass ich jana hensels bücher allesamt schrecklich finde und dann vom artikel doch ganz angetan war, stellten silvio und ich dadurch fest, dass wir uns beide seit längerem mit der re/präsentation von ostdeutsch* (ostdeutschland, ostdeutschen, ossis, dem osten, der ddr) in bundesdeutschen massenmedien beschäftigen. 

der artikel von hensel hieß „wir sind anders“ (was jetzt erst einmal nach typisch-jana-hensel klingt) und sprach aber ganz jana-hensel-untypisch genau dieses (unser) thema kritisch an: die berichterstattung über ostdeutsch* in der gesamtdeutschen medienlandschaft und was diese womöglich mit westdeutschen perspektiven und ausblendungen und deren dominanz zu tun haben könnte. 

und da wir nun wussten, dass wir uns beide für eine kritische auseinandersetzung mit der re/präsentation von ostdeutsch* in den medien interessieren, blieb uns nichts anderes übrig, als dieses blog zu planen. 

so war das also. danke jana hensel.

Versteckter Städtebau

„Man mag nicht gut finden, was die DDR am Alexanderplatz an Städtebau gemacht hat, aber man kann nicht so tun, als gäbe es ihn nicht.“

Theresa Keilhacker, Architektin in Berlin, im Interview mit der Berliner Zeitung.

Auch den Abriss des Palastes der Republik sieht Keilhacker als Fehler. Der war übrigens durchaus erfolgreich im Sinne des Versteckens und Vergessens – öffentlich gesprochen wird inzwischen nur noch über die Schlossattrappe und die Geschichte des Schlosses.

Alltagslos

„Abwesend in allen Filmen über die DDR ist die Sphäre des Alltags in banaler Form“

schreibt Matthias Steinle im Freitag über Dokudramen, die sich mit der DDR beschäftigen.  Er beklagt darin die Schwarz-Weiß-Malerei, mit der sich auf immer gleiche Weise der Geschichte dieses Landes angenommen wird: Stets dieselben Gesichter, dieselben Klischees, dieselben Farbfilter.

Großartiger Text!

Mauerblicke

Mauerblicke

„Die Sicht auf die Grenzmauer ist die Sicht des West-Bürgers“, schreiben die Bauhistoriker Johannes Cramer und Tobias Rütenik in der Zeitung der Technischen Universität Berlin. Und tatsächlich ist auf den immer wiederkehrenden Bilder die Berliner Mauer farbig besprüht und Menschen stehen direkt davor. So sah die Mauer im Ostteil der Stadt nicht aus.

Wie sie aussah, das war für Cramer und sein Team nicht leicht nachzuvollziehen. Denn die Mauer ist bis zum Herbst 1990 abgetragen worden, wenig ist erhalten geblieben. So musste auf die gleiche Weise geforscht werden, wie es für antike oder mittelalterliche Stadtmauern üblich ist. Dabei wurde festgestellt, dass aus DDR-Sicht bis zu 15 Hindernisse an der Grenzanlage überwunden werden mussten, um bis nach West-Berlin zu gelangen. Weitere Erkenntnisse zu den Entscheidungsprozessen und zur Umsetzung legen die Wissenschaftler_innen nun vor:

Johannes Cramer, Tobias Rütenik, Philipp Speiser, Gabri van Tussenbroek, Peter Boeger:
Die Baugeschichte der Berliner Mauer
447 Seiten, Petersberg (Michael Imhof Verlag) 2011
69 Euro

Doch wie sah er nun aus, dieser östliche Blick auf die Mauer? Bislang waren kaum Aufnahmen bekannt, denn das Fotografieren der Anlage war verboten. Umso erstaunlicher nun eine Ausstellung in Berlin: 1500 protokollarische Fotos von DDR-Soldaten aus den Jahren 1966 – 76 wurden vom Fotografen Arwed Messmer zu 340 Panoramen zusammengefügt. Die Literatin Annett Gröschner hat Protokollausschnitte von den jeweiligen Wachposten als Bildunterschrift hinzugefügt.

Die entstandenen Aufnahmen zeigen ein Bild der Mauer, das dem westlichen Blick bislang verschlossen war — eine weite Grenzanlage, an deren Ende erst die kahle Mauer zu sehen ist. Allerdings ist es absurd, dies als „andere Sicht“ zu bezeichnen — immerhin ist dies die Sicht des Landes, das die Mauer aufgestellt hatte. Bislang war lediglich die westliche Sicht medial präsent, nun also die eigentliche Sicht:

Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer.
Unter den Linden 40, 6.8. — 3.10, täglich 10 — 20 Uhr.

(via Berliner Zeitung)

Doch: „noch nie gesehen“ und „bislang unbekannt“ ist dieser Blick auf die Mauer keinesfalls, auch wenn damit die wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten beworben werden. Die Menschen in Ost-Berlin hatten ihn tagtäglich vor sich.