deutschlandkarten aus berliner sicht 3

es gibt eine ganze reihe von landkarten, die eine bestimmte geografisch-politische region aus der angeblich selbstzentrierten sicht vermeintlicher zentrums-bewohner_innen darstellen. das New Yorker Cover mit der welt von der 9th avenue in manhatten aus gesehen, ist vielleicht die bekannteste dieser karten.

ich bin heute auf eine reihe von karten gestoßen, die deutschland (und angrenzende länder) „aus berliner sicht“ darstellen. besonders aufgefallen ist mir dabei eine karte (in zwei versionen), die die frühere grenze zwischen ddr und brd zur abwechslung mal NICHT berücksichtigt. im graphitti-blog findet sich deutschland aus sicht der berliner und im blog von linus neumann eine variante davon. in beiden karten gehört das bundesland thüringen zu den „nordschwaben, die unsere mieten hochtreiben“ und, im fall der graphitti-blog-karte, nicht zum ach so grauen „berliner umland“. 

eine abwandlung dieser karte hat georg jähnig auf seiner seite: deutschland aus berliner sicht. hier sind alle ost-bundesländer (und natürlich kein west-bundesland) mit „nazis“ beschriftet worden, nur thüringen nicht. 

ist das subversiv oder nur (west)berlinzentrische ignoranz?

Nicht nur heiße Luft 3

Ach, was wurde über das DDR-Doping gespottet. Über Anabolika, das aus Frauen Männern mache, unnatürliche Muskeln wachsen lasse und überhaupt: Das ganze war ja doch nur Kalter Krieg. Nicht so im sauberen Westen, in dem der Sport noch sportlich genommen wurde. Der Aufruhr um die völlig überraschenden Doping-Fälle bei der Tour de France vor einigen Jahren spricht da Bände.

Aber nun zeigt sich: Auch der Westen hat gedopt — in einer Weise, die in sport- und menschenverachtender Weise kaum hinter den DDR-Maßnahmen zurücksteht: „Aufpumpen“ wurde hier noch ernstgenommen, zumindest wenn man der Süddeutschen Zeitung glauben kann.

Tränen

Im Berliner Tränenpalast ist am 14.9.2011 eine Dauerausstellung eröffnet worden: „GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“ erinnert an die Geschichte des Gebäudes, das eigens für die Grenzabfertigung inmitten der geteilten Stadt errichtet worden war.

Das Dumme ist nur: Die Menschen aus der DDR kamen nur bis zum Vorbau, um sich von ihrer Verwandtschaft zu verabschieden — in vielen Fällen für immer oder zumindest für lange Zeit. Hier kam es zu den namensgebenden Tränen. Und dieser Bau wurde abgerissen, um nach der Wende Platz für ein glänzendes, überdimensioniertes Bürohaus zu schaffen.

Übrig geblieben ist also lediglich der Bau, der dem Besuch aus dem Westen vorbehalten war, der östliche Blick ist des Denkmalschutzes nicht für würdig befunden worden. Doch sollte man froh sein, dass zumindest dies geblieben ist — die höchst unrühmliche Nachwende-Geschichte um das Areal zeichnet Birgit Walter in der Berliner Zeitung nach. Sie zeigt, wie ein Symbol eines freiheitsraubenden Systems vereinnahmt wurde von einem kapitalistischen Spekulanten.

So gesehen ist der Tränenpalast zu einem doppelten Symbol geworden.

Publikation zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit

Einer der Gründe dafür, dass es bei der Integration der ehemaligen DDR in die Bundesrepublik zu erheblichen Spannungen zwischen Westdeutschen und Ostdeutschen kam, war sicherlich, dass die Kenntnisse über die einst eingemauerte DDR im Westen gering waren. Doch auch die Bereitschaft der Westdeutschen, die für sie unbekannten Erfahrungen und Sichtweisen der Ostdeutschen kennen zu lernen, sie zu verstehen oder zumindest zu akzeptieren, entwickelte sich nicht so, wie es von vielen Ostdeutschen erhofft wurde.

Dieser kritische Blick auf die Rolle Westdeutschlands beim Vereinigungsprozess ist unter dem Titel „Ostalgie. Zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit in den 1990er Jahren“ bei der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen erschienen. Der Sozialwissenschaftler Thomas Abbe untersucht darin, wie Symbole der DDR-Zeit aus dem öffentlichen Raum verschwanden und als „Ostalgie“ wieder auftauchten. Diese versteht er als „Laien-Diskurs über Vergangenheit und Gegenwart der Ostdeutschen“ und damit als Möglichkeit, aktiv über die eigene Vergangenheit zu bestimmen:

Ostalgie weist – mehr oder weniger demonstrativ – darauf hin, dass ein Teil der Ostdeutschen bei ihrer Integration in das vereinigte Deutschland, auf ihre eigenen, von denen der westdeutschen Mehrheit abweichenden Erfahrungen, Erinnerungen und Werte nicht verzichten wollen.

Geteilte Aufmerksamkeit

Geteilte Aufmerksamkeit

Es grenzt schon an bitterem Zynismus, ein Buch „Das geteilte Land. Deutsche Geschichte 1945 – 1990“ zu nennen und der DDR erst das 15. Kapitel zu widmen: Die arme, arme geteilte Bundesrepublik. Wir sind es ja gewohnt, wenn deutsche Geschichte mit westdeutscher Geschichte gleichgesetzt wird, aber die DDR bei einer solchen Überschrift als Randphänomen zu behandeln, das ist… absurd.

Besagtes — wissenschaftliches! — Werk ist 2007 erschienen und wer ungläubig ins Inhaltsverzeichnis blicken möchte, kann dies gerne tun:

Nun, wahrscheinlich ist lediglich der Titel unglücklich gewählt.

Eine Leseprobe gibt es beim Verlag.

„Ehemalige DDR“ 1

Bei der „ehemaligen DDR“ handelt es sich streng genommen einen Pleonasmus und ist damit der weiße Schimmel unter den Kampfbegriffen: Eine Wortzusammensetzung, die nicht nur überflüssig ist (die DDR ist schließlich per se Vergangenheit), sondern oftmals seltsame Blüten treibt. „XYZ wurde in der ehemaligen DDR geboren“ ist immer wieder zu lesen. Doch wie kann man in einem nicht existierenden Staat geboren werden? Noch bizarrer sind Taten der Stasi, wenn sie in dieser „ehemaligen DDR“ stattgefunden haben sollen – handelt es sich dabei nicht um die heutige Bundesrepublik? Demnach wäre die Stasi noch immer aktiv und niemand tut etwas dagegen? Wie kann das sein?

Die „ehemalige DDR“ ist ein Überbleibsel aus dem Kalten Krieg. Damals sprach man in der ehemaligen BRD von der „SBZ“, der „Zone“ oder der „sogenannten DDR“. Die DDR beim Namen zu nennen, hieß sie anzuerkennen und das durfte nicht sein. Nun also „ehemalig“, selbst im Rückblick auf die Vergangenheit: Die nachträgliche Aberkennung ihrer Existenz.

Die DDR hat demnach niemals existiert.

Mehr dazu

„Ostalgie“

Manchmal ist es bereits ein Buchstabe, der sentimentale Erinnerung von verblendeter Geschichtsvergessenheit trennt. Das „Wunder von Bern“, Urlaub im Italien der 1950er oder YPS-Hefte – das sind ausgemachte nostalgische Momente westdeutscher Geschichte. Sie bieten einen positiven Rückblick auf die persönliche Vergangenheit und die Vergangenheit ganzer Gruppen, Kritik findet in diesen Momenten keinen Platz.

Wer sich hingegen an das Tor von Sparwasser, Urlaub in Ungarn oder die Frösi erinnert, wird diese nostalgischen Momente höchstens in Sendungen des MDR entdecken können. Sie sind im westdeutschen Erinnerungskosmos nicht vorgesehen und daher wird ihnen auch das „N“ abgesprochen: Denn sie sind unvollständige, geradezu falsche Erinnerungen. Falsch, weil es keine positiven Momente in einer Diktatur geben darf. Falsch, weil es nicht einmal dieses Land geben durfte, das sie produziert hat.

„Nostalgisch“ ist also jemand, der richtige Erinnerungen mit anderen teilen kann. „Ostalgisch“ hingegen, wer falsche Erinnerungen mit sich selbst und seinesgleichen teilt.

Oder es ist einfach nur lustig:

(K)eine Rückkehr: Hoyerswerda revisited

die rosa-luxemburg-stiftung lädt am dienstag, den 13. september 2011 um 19:30 uhr in den südblock (berlin, ubahnhof kottbusser tor) zur veranstaltung (K)eine Rückkehr: hoyerswerda revisited.

es werden unter anderem ein ehemaliger vertragsarbeiter und ein ehemaliger flüchtling sprechen, die beide 1991 in hoyerswerda gelebt haben und das pogrom auf das asylbewerberheim miterlebt haben. 

20 Jahre nach den Angriffen kehren Manuell Nhacutou und Emmanuel Gärtner anlässlich des Jahrestags des Pogroms in die Stadt zurück, die ihr Leben entscheidend verändert hat. Bei der Podiumsdiskussion werden Manuell Nhacutou und Emmanuel Gärtner über ihre Erlebnisse im September 1991 sprechen – und über ihre Eindrücke von Hoyerswerda heute.

manuell nhacutou ist übrigens der protagonist des absolut sehenswerten dokumentarfilms „viele habe ich erkannt“ von 1992.

zum thema der ausblendung von migration in die ddr und ddr-migrant_innen in der wendezeit schreibe ich dann ein anderes mal. versprochen!

veranstaltungsort: http://www.suedblock.org/wp/

vom anfang mit jana hensel 1

ich fange mal am anfang an. 

die idee zu diesem blog kam silvio und mir durch einem artikel von jana hensel !

silvio hatte mich auf ihn aufmerksam gemacht und wir sind darüber in’s gespräch gekommen. und abgesehen davon, dass ich jana hensels bücher allesamt schrecklich finde und dann vom artikel doch ganz angetan war, stellten silvio und ich dadurch fest, dass wir uns beide seit längerem mit der re/präsentation von ostdeutsch* (ostdeutschland, ostdeutschen, ossis, dem osten, der ddr) in bundesdeutschen massenmedien beschäftigen. 

der artikel von hensel hieß „wir sind anders“ (was jetzt erst einmal nach typisch-jana-hensel klingt) und sprach aber ganz jana-hensel-untypisch genau dieses (unser) thema kritisch an: die berichterstattung über ostdeutsch* in der gesamtdeutschen medienlandschaft und was diese womöglich mit westdeutschen perspektiven und ausblendungen und deren dominanz zu tun haben könnte. 

und da wir nun wussten, dass wir uns beide für eine kritische auseinandersetzung mit der re/präsentation von ostdeutsch* in den medien interessieren, blieb uns nichts anderes übrig, als dieses blog zu planen. 

so war das also. danke jana hensel.

Versteckter Städtebau

„Man mag nicht gut finden, was die DDR am Alexanderplatz an Städtebau gemacht hat, aber man kann nicht so tun, als gäbe es ihn nicht.“

Theresa Keilhacker, Architektin in Berlin, im Interview mit der Berliner Zeitung.

Auch den Abriss des Palastes der Republik sieht Keilhacker als Fehler. Der war übrigens durchaus erfolgreich im Sinne des Versteckens und Vergessens – öffentlich gesprochen wird inzwischen nur noch über die Schlossattrappe und die Geschichte des Schlosses.